«Werumm isch ds Glaarnerland i-dr ganzä Wält bekannt? ja-nu wääg-dä Ziger-ziger-ziger, Ziger-ziger-ziger, Ziger-ziger-ziger, Ziger-ziger-ziger, Ziigerschtöggli, Ziigerschtöggli, Ziigerschtöggli!»
Glarner Zigerlied (Artur Beul, nach Louis Menar)
Geska AG, Glarus
„Ich warte vor dem imposanten Produktionsgebäude der Geska AG auf Johannes M. Trümpy, den Geschäftsführer der Schabzigerfabrik. Hier unten in der Ygrube ist wohl der tiefste Punkt von Glarus. Die wilde Bergwelt, die den Ort scheinbar von allen Seiten einkesselt, kommt hier noch stärker zum Ausdruck. Das Glarnerland gehöre zu den steilsten Alpentälern der Schweiz, habe ich einmal gehört. Die Weltwoche nannte den «Zigerschlitz» einmal die «stolze Sackgasse» und bezeichnete Glarus als Gefangenen seiner grausamen Geografie. Vielleicht ist es diese landschaftliche Herausforderung, welche die hiesige Bevölkerung immer wieder zu einer erstaunlichen Innovationskraft treibt? Vor mir taucht plötzlich ein gross gewachsener Herr in Anzug und Krawatte auf und stellt sich vor: «Trümpy». Ein Einheimischer also, dem Namen nach. Aber einer, der in der Welt herumgekommen ist, wie sich beim späteren Mittagessen herausstellen wird. Trümpy führt mich in das Produktionsgebäude des Glarner Schabzigers. Endlich wird das Geheimnis des sagenumwobenen Produkts gelüftet!
Das älteste Markenprodukt. Seit über 1000 Jahren wird der Glarner Schabziger im Glarnerland nach dem gleichen Rezept hergestellt. An der Landsgemeinde vom 24. April 1463 genehmigten die Glarner Bürger ein Gesetz, das alle Zigerhersteller verpflichtete, ihr Produkt nach Qualitätsvorgaben zu produzieren und mit einem Herkunftsstempel zu kennzeichnen. Damit machten sie den Glarner Schabziger zum ersten Markenartikel der Schweiz.
Die Betriebsbesichtigung startet in einem charmanten Besucherraum, der mich sofort an ein Ortsmuseum erinnert, obwohl ich noch gar nie in einem solchen drin war. Alte Werkzeuge, Versandkisten aus aller Welt und Vitrinen mit uralten Schabziger-Verpackungen schmücken den Raum. Ganz vorne steht der Schabziger-CEO neben zwei riesigen, von innen beleuchteten StöckliVerpackungen, die wohl einmal als Promotion-Gag dienten. Ich habe mich heute einer Besuchergruppe angeschlossen, die aus der Ostschweiz angereist ist, um genau wie ich die Schabzigerproduktion zu erleben. Die Betriebsführungen gehören eigentlich nicht zur Kernaufgabe des Geschäftsleiters, aber manchmal macht er eine Ausnahme. Heute ist so ein Tag. Trümpy informiert die ungeduldig auf den Stühlen schaukelnden Gäste über die geschichtlichen Hintergründe des Schabzigers und hat immer wieder eine nette Anekdote parat. Zum Beispiel die Geschichte vom Zigerkraut: Offenbar waren es die Stiftsdamen des Klosters Säckingen, die den Ziger in der heutigen Zusammensetzung erfunden hatten. Glarus gehörte nämlich vom 8. Jahrhundert bis 1395 zum Kloster Säckingen. Zu den Abgaben, welche dem Kloster zu entrichten waren, gehörte auch der Schabziger. Weil den Stiftsdamen der Käse aus Glarus aber zu fade war, würzten sie ihn einfach mit einem orientalischen, kräftig riechenden Heilkräutlein, das in ihrem Klostergarten kultiviert wurde. «So kam der Zigerklee in den Schabziger!» Man spürt sofort, wenn man Trümpy zuhört: Dieser Mann ist 100-prozentig in seinem Element.“
Die GESKA AG. Unter dem Dach der GESKA wird der Glarner Schabziger seit dem Jahr 2000 exklusiv in Glarus produziert – in der einzigen Schabzigerfabrik der Welt. Die Herstellung ist heute weitgehend automatisiert, die Produktionsabläufe dank hochstehender Technologie wesentlich vereinfacht. Die Rezeptur und einzelnen Prozessschritte jedoch sind seit 1000 Jahren unverändert geblieben.
Bevor man als Besucher die Produktionshalle betreten darf, gilt es ein paar Hygienemassnahmen zu beachten. Jeder erhält einen weissen Besuchermantel, ein Haarnetz und blaue Schuhüberzüge. Händewaschen, Desinfizieren ist obligatorisch, Anlagen dürfen von den Besuchern nicht berührt werden und wer krank ist, muss draussen bleiben. «Wir haben uns sogar überlegt, wegen der Schweinegrippe ganz auf Betriebsführungen zu verzichten. Im Moment scheint die Situation aber nicht so dramatisch zu sein, wie es anfänglich in den Medien tönte», so Trümpy. Eingepackt in diese Schutzkleidung gehts zuerst ins firmeneigene Labor, wo die regelmässigen Qualitätskontrollen stattfinden. Für jede Produktionscharge muss ausserdem ein Rückstellmuster erstellt werden – falls es einmal Reklamationen geben sollte. Mit dem Schabziger-Chef gehts dann von Maschine zu Maschine durch den ganzen Produktionsablauf. Faszinierend, wie alles fast automatisch läuft. Die moderne Infrastruktur machts möglich: Die wenigen Mitarbeitenden in der Produktion übernehmen fast nur noch Kontrollfunktionen, den Rest erledigen die Maschinen. So wird aus dem weissen, eigentlich noch geschmacklosen Rohziger am Ende ein harter, grünlicher Kegelstumpf mit kräftigem Gout.
Hightech. Bei der Lebensmittelproduktion generell und so auch beim Schabziger sind höchste Qualitäts- und Hygienestandards gefordert: Der Betrieb der GESKA AG ist nach IFS Food 5 zertifiziert und erfüllt alle von der GFSI (Global Food Safety Initiative) der WHO geforderten Richtlinien. Ausserdem besitzt die Schabzigerfabrik ein eigenes Labor, in welchem zuverlässige Mitarbeiter laufend Produktion und Material überwachen.
Neben uns schüttet ein GESKA-Mitarbeiter ein grünes Pulver in eine Maschine: Zigerklee, wie man uns sagt. Das fein gemahlene Kraut verleiht dem Schabziger nicht nur seine unverkennbare grüne Farbe, sondern sorgt für die notwendige Würze. Die grüne Masse kommt schliesslich in die Stöcklipresse, wo es nur so rattert und schnaubt und dröhnt. Die eindrückliche Maschine produziert und verpackt bis zu 1600 Stöckli in der Stunde. Drei Mitarbeitende stehen bei diesem laut ratternden Gerät und kontrollieren mit geschickten Händen und hoher Konzentration, was ihr Stöckliautomat ausspuckt.
Die Betriebsführung endet mit feinen Schabzigerbrütli, Weisswein und allerlei Ziger-Accessoires für die Besucher. An den starken Geruch haben sich mittlerweile alle gewöhnt, auch die mit einer empfindlichen Nase. Erst zu Hause wird man erfahren, dass sich der Duft in allen möglichen Poren festgesetzt hat und erst nach gutem Auslüften oder Waschen wieder verschwunden ist …
Fotografie und Lithografie: Reinhard Fasching, Bregenz